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Brücke in Lommel/Belgien

Projektdaten

Tragwerksplanung nach HOAI LPH 1 bis 6 + 8
Statische Nachweise
Ausführungsplanung
Bauleitung

Bauherr: Gemeinde Lommel/Belgien Entwurfsplanung: Prof. Dipl.-Ing. Dipl.-Des. Thomas Spiegelhalter, Pittsburgh/USA
Stahlbau und Montage: Heinrich Rohlfing GmbH, Stemwede-Niedermehnen/D
Brettschichtträger: Christian Burgbacher GmbH & Co., Trossingen/D
Tragkraft: 5,0 kN/m²
Fertigstellung: 2002
Baukosten: ca. 800.000 €

Belgischer Stahlbaupreis für Stuttgarter Ingenieurbüro (Pressetext, gekürzt)

Der Concours Construction Acier der Länder Belgien und Luxemburg ging 2002 in der Kategorie „Ingenieurbauwerke und Kunstobjekte“ an das Stuttgarter Ingenieurbüro BF+P, das gemeinsam mit dem Architekten für ihre Brücke über den Maas-Schelde-Kanal ausgezeichnet wurde. 

Die Jury lobte das Werk als das Ergebnis einer äußerst gelungenen Zusammenarbeit zwischen Architekt und Ingenieur. Sie war beeindruckt von der eleganten Kombination von Stahl und Holz, die sich harmonisch in die Umgebung einfügt. Die Brücke, genauer gesagt der Fußgängerüberweg, führt einen europäischen Wanderweg über den Kanal. Der S-förmige Grundriss verkürzt den 93 m langen Steg optisch und macht den Übergang spannend und abwechslungsreich.

Prof. Dr.-Ing. Ingomar Belz, der den Preis in Brüssel entgegennahm, gab seiner Freude darüber Ausdruck, dass mit dem Preis diese besondere Holz-Stahlkonstruktion gewürdigt wurde.

Der belgische Stahlbaupreis ist ein in Fachkreisen sehr anerkannter Preis, da Belgien eines der führenden Länder in Sachen Stahlbau ist. Die siegreichen Stuttgarter ließen renommierte, gar weltberühmte Konkurrenz wie das Architekturbüro Calatrava (Zürich) hinter sich. 

Das Ingenieurbüro BF+P, sonst hauptsächlich im Industriebau tätig, zeichnet ebenfalls in Zusammenarbeit mit Prof. Spiegelhalter auch für den Fußgängerüberweg in Laatzen/Hannover verantwortlich, der zum Park der Sinne im Umfeld der Expo 2000 führt und eine ähnliche Konstruktion aufweist.

Beschreibung

Die landschaftsarchitektonisch skulptural und zeichenhaft weithin sichtbare Fußgängerbrücke über den Maas-Schelde-Kanal (Kempens Kanaal, Kanaal Bocholt-Herentals) bei Lommel in Belgien hat einen S-förmigen Grundriss und ein Längsgefälle von 4,7 % in Süd-Nord-Richtung. Die Länge zwischen den Widerlagern beträgt 88 m, die Lauflänge wegen der Kreisbögen circa 93 m, die Laufbreite 1,50 m. Die Unterkante der Brücke liegt an der tiefsten Stelle 7 m, der Kopf des südlichen Pylons ca. 24 m über dem Bemessungswasserstand des Kanals.

Die Grundidee des Tragwerks sind zwei im Grundriss punktsymmetrische, gegenseitig gekrümmte Biegetorsionsträger, die jeweils mittels zehn Hängestangen an zwei Pylonen aufgehängt sind. Je ein Druckstab vom Pylonfuß zum Träger verhindert zu große Verformungen. Die Pylone sind in Querrichtung vom Lauf weg und zum Kreismittelpunkt hin, in Längsrichtung nach innen geneigt und in drei Richtungen abgespannt. Diese Konstruktion nützt die in der Dreidimensionalität enthaltenen Tragreserven aus:

  • Die Aufhängung erfolgt so, dass die Gewichtsschwerpunkte von Kreisbogen und Pylon jeweils über den Pylonfußpunkten liegen, um so die Eigengewichte von Pylon und Brückenhälfte in Querrichtung auszugleichen.
  • Die Wirkungslinie jedes Hängers geht nicht durch den Schubmittelpunkt des Brückenquerschnitts, wodurch Torsion entsteht. Diese gleicht das aufgrund einseitiger Aufhängung infolge Eigenlasten entstehende Moment aus. Die Momente infolge Verkehrslasten werden durch den gesamten Querschnitt von Träger und Fachwerk aufgenommen.
  • Die Aufhängepunkte der Hänger sind am Biegetorsionsträger und in der Höhe am Pylon – damit also in der Neigung – so angeordnet, dass das horizontale Biegemoment und die entlastende Vorspannung in Längsrichtung optimiert werden. Die zwei Biegetorsionsträger sind mit dem Radius 47,0 m kreisbogenförmig gekrümmt. Auf der Bogenaußenseite ist ein horizontales Fachwerk unter den Laufdielen angeordnet. Die Konsolen, auf denen dieses Fachwerk aufliegt, sind Teil des Fachwerks. Die Träger sind aus blockverleimtem Brettschichtholz gefertigt, die Konsolen und das Fachwerk aus Stahl. Auf dieses Fachwerk sind als Gehbelag Dielen aus Bongossi mit Einfräsungen zur Rutschsicherung aufgelegt. Die Oberseiten der Brettschichtträger sind mit Titanzinkblech, die Seiten mit einer Stülpschalung zum Schutz gegen die Witterung verkleidet.

Das Gesamtgewicht der Brücke beträgt ca. 80 t, je zur Hälfte Holz und Stahl. Die wechselseitig stehenden Pylone sind zigarrenförmig und bestehen aus Stahlrohr. Die 20 Hängestangen und 6 Abspannungen sind nachspannbare Rundstahlstäbe. Die Vertikalkräfte werden zum großen Teil über die Pylone abgeleitet. Sämtliche Horizontalkräfte, hauptsächlich aus Wind in Querrichtung, sowie ein geringer Teil der Vertikalkräfte werden an den Widerlagern auf-genommen. Diese sind ebenso wie die Pylonfundamente aus Stahlbeton. Die Zugkräfte der Abspannungen werden über Anker in den Baugrund eingeleitet. Die Brücke sieht in der Seitenansicht aus wie eine gewöhnliche Schrägkabelbrücke mit fächerförmig angeordneten Hängern, jedoch mit nach innen geneigten Pylonen sowie mit zwei stärker geneigten Druckstäben. Sie hat wechselnde Seitenansichten: Auf der jeweils rechten Hälfte sieht man hinter dem Pylon den Träger mit einem zusätzlichen niederen Geländer; auf der jeweils linken Hälfte sieht man nur das Geländer. Die Neigung von dessen Füllstäben nimmt nach innen hin von außen 40° bis auf 90° in der Mitte zu. In der Längsansicht sieht man am Anfang der Brücke nicht deren Ende, sondern nur, wie sich der Gehweg durch die sich quasi kreuzenden Pylone schlängelt. Die Anordnung der Hänger verleiht der Brücke zusätzlich einen eigenen Rhythmus. Die Annäherung an die Brücke und der Übergang mit dabei noch spürbaren Bewegungen werden für die Fußgänger zu einem sinnlichen Erlebnis. Dadurch wird diese landschaftsarchitektonische Fußgängerbrücke zu einer auch für den Tourismus interessanten Konstruktion.

Entstehungsgeschichte

Die Gemeinde Lommel beauftragte die Firma Graubner als Generalunternehmer mit dem Bau einer Brücke über den Maas-Schelde-Kanal.

Mit der Vorgabe, eine S-förmige Brücke zu entwerfen, entstand nach einer Idee von Professor Belz der Entwurf als Gemeinschaftsarbeit der Professoren Belz (Tragwerksplaner) und Spiegelhalter (Architekt). Das Ergebnis wurde in 3-D-Animation dargestellt.

Nach diesem Entwurf bearbeitete das Studio Professor Spiegelhalter architektonische Details, das Büro Belz, Forsthuber + Partner modifizierte das Tragwerk. Gemeinsam als „ARGE Brückenkunst“ erfolgte die Weiterbearbeitung.

Gleichzeitig wurde von den Beteiligten eine Brücke mit ähnlichen Charakteristiken in Laatzen bei Hannover im Umfeld der EXPO 2000 geplant und errichtet.

Auf der Grundlage der statischen Berechnungen und Nachweise von Belz, Forsthuber + Partner entwickelten alle Beteiligten teils in Diskussionen und gegenseitigen Vorschlägen, teils selbstständig, die Konstruktion weiter.

Die Ausführungspläne der Brückenkonstruktion wurden von Belz, Forsthuber + Partner erstellt, die Werkstattpläne für den Stahlbau von der Firma Rohlfing. Die Fundamente für Widerlager, Pylone und Abspannungen wurden komplett von der Ingenieurgruppe Egloff-Rheinberger geplant.

Die Brettschichtträger wurden von der Firma Burgbacher gefertigt, die Stahlbauteile von der Firma Rohlfing, die auch die Montage ausführte. Die Brettschichtträger wurden mit einem Spezialtransport auf einem Tieflader nach Minden transportiert. Dort wurden die Brückenhälften vormontiert, d. h. mit den Stahlfachwerken, dem Bodenbelag, dem Witterungsschutz und teilweise sogar mit dem Geländer versehen. Anschließend wurden diese Brückenhälften per Frachtschiff zum Aufstellungsort gebracht, wo die Fundamente bereits betoniert waren.

Zunächst wurden die Brückenhälften von beiden Seiten mit Kranen an die richtige Stelle gehoben und dann zusammenmontiert. Anschließend wurden die Pylone gesetzt und abgespannt, danach die Druckstäbe. Darauf wurden die Hänger eingehängt und die Brücke ausgerichtet. Nach der Aufstellung der Konstruktion erfolgte die Fertigmontage (restliches Geländer, restlicher Belag, Handlauf). Nach der Abnahme der Konstruktion und dem Anschluss der Wege auf beiden Seiten konnte die Brücke eröffnet werden.

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